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Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag in Karlsruhe über die zwangsweise medizinische Behandlung von rechtlich betreuten Menschen verhandelt. Es geht um die Frage, ob die Betroffenen unbedingt im Krankenhaus behandelt werden müssen oder ob das auch in ihrer Wohneinrichtung möglich sein soll. Bei der Verhandlung wurde deutlich, dass das Gericht vor einer schwierigen Entscheidung steht. (AZ. 1 BvL 1/24)
Viele Menschen sind aktuell oder potenziell betroffen. Rechtlich betreut werden Menschen, die wegen Krankheit oder Behinderung nicht alles selbst entscheiden können. Das können zum Beispiel Menschen mit einer schweren psychischen Krankheit sein, mit einer geistigen Behinderung oder mit Demenz.
Es handle sich um einen der "grundrechtssensibelsten Bereiche des Erwachsenenschutzes", sagte Gerichtspräsident Stephan Harbarth. Einerseits müssten Betreute angemessen geschützt werden, andererseits dürfe nicht unverhältnismäßig in ihre Freiheitsrechte eingegriffen werden.
Für eine zwangsweise medizinische Behandlung von Betreuten gelten hohe rechtliche Hürden. Sie darf nur dann passieren, wenn sie unbedingt notwendig ist, weil sonst ein ernster gesundheitlicher Schaden droht, und wenn der Nutzen das Risiko überwiegt.
Außerdem muss zuvor versucht werden, die Betroffenen zu überzeugen - nur wenn sie die Notwendigkeit nicht erkennen oder nicht danach handeln können, darf zwangsweise behandelt werden. Auch der mutmaßliche oder in gesunden Zeiten in einer Patientenverfügung festgelegte Wille der Betroffenen muss beachtet werden.
Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass eine Zwangsbehandlung nur im Krankenhaus stattfinden darf, wo sowohl die medizinische Versorgung als auch die Nachbehandlung sichergestellt sind. Nur um diese Regelung ging es in der Verhandlung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte den Verfassungsrichtern und - richterinnen die Frage vorgelegt.
Der BGH muss über den Fall einer 1963 geborenen Frau mit paranoider Schizophrenie entscheiden, die seit dem Jahr 2008 in einer Einrichtung lebt. Ihr Betreuer beantragte, ihr die Medikamente gegen die Psychosen - die sie nicht nehmen wollte - auch dort zu geben und nicht im Krankenhaus, weil sie dort retraumatisiert würde.
In der Vergangenheit habe sie teils fixiert werden müssen und einen Spuckschutz bekommen, um zur zwangsweisen Behandlung in die Klinik gebracht zu werden. Die zunächst zuständigen Gerichte stimmten dem Antrag des Betreuers aber nicht zu.
Die Frau wandte sich an den BGH. Dieser hält es für verfassungswidrig, dass eine Zwangsbehandlung ohne Ausnahme stationär im Krankenhaus stattfinden muss, auch wenn Menschen dadurch geschadet werden könne und sie ebenso in ihrer Einrichtung behandelt werden könnten. Er setzte das Verfahren im November 2023 aus und fragte das Verfassungsgericht, ob das so ist.
In der Verhandlung beklagten Sachverständige und ein Betroffenenvertreter das Fehlen ausreichender Daten zu dem Thema. Einige Befragte äußerten die Sorge, dass es bei einem Aufweichen der Regelung zu mehr Zwangsbehandlungen kommen könnte oder dass Alternativen weniger in Betracht gezogen würden.
Debattiert wurde auch über die Frage, was weniger traumatisierend sei - ein zwangsweiser Transport ins Krankenhaus oder eine Zwangsbehandlung in der eigenen Wohnumgebung. Einige Expertinnen und Experten plädierten dafür, die Krankenhauspflicht beizubehalten, andere hielten auch eine andere Regelung für bestimmte Einzelfälle für möglich.
Die Bundesregierung sprach sich dafür aus, die bisherige Regelung beizubehalten. Selbst ein "ganz kleines Loch" in dieser Schutzmauer könne sich schnell vergrößern und einen "Dammbruch" auslösen, sagte Ministerialdirektorin Ruth Schröder vom Bundesjustizministerium. Sie verwies darauf, dass die frühere Regelung von einem Forschungsteam evaluiert worden sei und dieses sich gegen eine Änderung ausgesprochen habe.
Diese frühere Regelung ist seit 2023 zwar außer Kraft, die Neuregelung ist aber gleich. Ein Urteil fiel am Dienstag noch nicht. Es wird meistens einige Monate nach der mündlichen Verhandlung verkündet.
F.El-Yamahy--DT