SDAX
97.0100
Die Forderungen nach der Einführung eines verbilligten Industriestrompreises für energieintensive Unternehmen in Deutschland reißen nicht ab. Am Donnerstag mobilisierten Industriegewerkschaften wie die IG Metall bundesweit ihre Mitglieder zu Protestaktionen, um entsprechende Vorstöße von Wirtschaftsverbänden zu unterstützen. Das Berliner Bundeswirtschaftsministerium bekräftigte derweil, es setze in erster Linie auf Mechanismen, die Strom für Unternehmen "mittelfristig" durch einen verstärkten Bezug aus erneuerbaren Energiequellen vergünstigten.
Wie das Wirtschaftsministerium am Donnerstag erläuterte, soll Industrieunternehmen Strom aus erneuerbaren Energien über spezielle Vertragsmodelle oder direkte Lieferbeziehungen zu Energieerzeugern günstiger zugänglich gemacht werden. Dieser "Dekarbonisierungsstrompreis" werde dann allerdings "erst mittelfristig wirken", erklärte das Ministerium.
Ressortchef Robert Habeck (Grüne) sagte parallel vor Journalisten in Berlin, das generelle Ziel seines Hauses sei ein "marktgenerierter Industriestrompreis" auf Basis des möglichst schnellen Ausbaus kostengünstigerer erneuerbarer Energien. Bis der Zustand erreicht sei, seien aber sicher "Kompensationen" oder "weitere Glättungen" bei den Strompreisen für die Industrie erforderlich, fügte er hinzu. Dies sei dann jedoch keine Entscheidung, die das Wirtschaftsministerium allein treffe.
Sein Ministerium erklärte, auf nationaler und europäischer Ebene werde zusätzlich übergangsweise "ein Interimsmodell mit direkten Subventionen diskutiert". Die Entscheidung über Finanzierungsfragen fälle dabei "die gesamte Bundesregierung".
Die Industrie beklagt insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise massive Standortnachteile im internationalen Wettbewerb wegen der hohen Stromkosten in Deutschland. Verbände warnen zudem vor ausbleibenden Investitionen. Auch in den Gewerkschaften wird diese Sorge geteilt.
Dies ist der Hintergrund des Aktionstags am Donnerstag, zu dem sich der IG Metall zufolge etwa Mitarbeiter von Stahlwerken und anderen energieintensiven Betrieben versammelten. Das Thema Industriestrompreis müsse "weit oben" auf die politische Agenda kommen, erklärte die Gewerkschaft.
Aus der SPD kamen Forderungen nach Einführung eines "nationalen Industriestrompreises". Dass dieser auch mit EU-Beihilferecht kompatibel sei, zeige das Beispiel Frankreichs, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernd Westphal. Ein konkurrenzfähiger Preis für Industriestrom sei "elementare Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit".
Die Oppositionsparteien CDU und CSU warfen der Bundesregierung bei dem Thema Untätigkeit vor. Es gebe in Sachen Industriestrompreis "nach wie vor nichts Belastbares" von der Ampel-Koalition, kritisierte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion im Bundestag, Julia Klöckner.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe im Wahlkampf einen Industriestrompreis von vier Cent je Kilowattstunde versprochen, führte Klöckner in Berlin weiter aus. Wirtschaftsminister Habeck stelle dagegen bis zu zwölf Cent in den Raum und kopple diesen zudem an den Ausbau erneuerbarer Energien. "Das hieße, der Industriestrompreis würde erst zum Ende des Jahrzehnts zum Tragen kommen."
Bei den Debatten über den Industriestrompreis spielt nicht nur der aktuelle Stromverbrauch eine Rolle. Es geht insbesondere auch darum, dass dieser in Zukunft massiv steigen wird, wenn Betriebe aus der klimaschädlichen Nutzung von Öl und Gas für ihre energieintensiven Produktionszweige aussteigen und stattdessen in weit stärkerem Maß als bisher auf Strom zurückgreifen werden.
Das Wirtschaftsministerium setzt nach eigenen Angaben dabei unter anderem auf Modelle, bei denen Industrieunternehmen der Bezug von Strom aus erneuerbaren Quellen zu den Preisen garantiert wird, den die Anlagenbetreiber in ihren Ausschreibungen erzielen. Zudem werden demnach "Möglichkeiten zur Unterstützung" von direkten Lieferverträgen zwischen Industrieunternehmen und den Erzeugern erneuerbarer Energie "untersucht".
Y.I.Hashem--DT