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Nach der Dürre die Sintflut: In Mittelitalien sind bei schweren Unwettern mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Vier weitere Menschen würden nach den heftigen Regenfällen in der Nacht zum Freitag noch vermisst, gab der italienische Regierungschef Mario Draghi bekannt. Besonders schwer betroffen waren die Adria-Stadt Ancona und ihre Umgebung in der Region Marken. Aber auch in der benachbarten Region Umbrien gab es Unwetter.
Nach Angaben des Zivilschutzes war Mittelitalien am Donnerstagabend und in der Nacht zum Freitag von starken Regenfällen getroffen worden, Straßen und Häuser wurden überflutet und zahlreiche Autos fortgespült. Laut der Zeitung "Corriere della Sera" fielen binnen zwei Stunden 400 Millimeter Regen, so viel wie normalerweise in sechs Monaten.
"Es war beängstigend, weil alles sehr schnell ging", berichtete die 33-jährige Laura Marinelli aus der überfluteten Kleinstadt Ostra. "Es war wie das Rauschen eines Wasserfalls. Man konnte hören, wie der Fluss über die Ufer trat." Sie habe ihre anderthalbjährige Tochter an die Hand genommen und sei zuerst zu den Nachbarn nach oben geflüchtet, erzählte die Anwältin. Am Ende habe sie der Zivilschutz vom Dach gerettet. "Wir haben alles verloren, alle Fotos und Briefe, die nicht zu ersetzen sind."
In mehreren Vierteln der Hafenstadt Ancona fielen Strom und Telefon aus, Schulen blieben geschlossen. Auf einem Video der Feuerwehr waren Einsatzkräfte in der Stadt Senigallia zu sehen, denen das Wasser bis zur Taille reichte. Mit einem Schlauchboot suchten sie die Stadt nach Menschen in Not ab. Autos wurden von der Strömung mitgerissen oder unter Schlammlawinen begraben.
Die Feuerwehr rückte nach eigenen Angaben zu mehr als 150 Einsätzen aus. Dutzende Menschen wurden dabei von Bäumen oder Hausdächern gerettet. Die Rettungseinsätze im Katastrophengebiet wurden dadurch behindert, dass Straßen durch umgestürzte Bäume und Erdrutsche blockiert waren.
Draghi, der noch am Freitag nach Ostra reisen wollte, rief in der stark betroffenen Region Marken den Ausnahmezustand aus und stellte erste Hilfsgelder in Höhe von fünf Millionen Euro bereit. Wie der italienische Fußballverband bekanntgab, soll vor allen Spielen am Wochenende eine Schweigeminute für die Unwetteropfer abgehalten werden.
Unter den Vermissten war nach Feuerwehrangaben ein achtjähriges Kind, das mit seiner Mutter im Auto unterwegs gewesen war. Einsatzkräfte hätten die Frau retten können, ihr Kind sei aber von Wassermassen fortgerissen worden. Die Bürgermeister der betroffenen Orte beklagten, dass sie von den zuständigen Behörden nicht vor den Unwettern gewarnt worden seien.
Rund eine Woche vor der vorgezogenen italienischen Parlamentswahl am 25. September sicherten Politiker aller Parteien der Region Marken ihre Unterstützung zu. Regionalpräsident Francesco Acquaroli von der ultrarechten Partei Fratelli d'Italia erklärte, auch Präsident Sergio Mattarella und Regierungschef Draghi hätten ihm in Telefongesprächen ihre Solidarität versichert.
"Das sind keine Unwetter, das nennt sich Klimakrise", erklärte der italienische Ableger der Klimaschutzbewegung Fridays for Future auf Twitter. Der Präsident der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, Francesco Rocca, äußerte sich auf Twitter "sehr besorgt über die Zunahme extremer Wetterereignisse".
Wie seine Nachbarländer ist auch Italien vom Klimawandel betroffen: Die landwirtschaftlich wichtige Po-Ebene in Norditalien erlebte diesen Sommer die schlimmste Dürre seit 70 Jahren. Und im Juli kamen beim Bruch des Marmolata-Gletschers in den Dolomiten elf Menschen ums Leben.
D.Naveed--DT