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Es ist ein Megaprojekt, das von den einen als Wachstumsmotor gepriesen, von anderen als Klimakiller und Milliarden-Verlustprojekt kritisiert wird: In Kanada hat die Trans Mountain Ölpipeline offiziell ihren Betrieb aufgenommen. Seit Mittwoch werden damit 600.000 Barrel Öl zusätzlich pro Tag vom Bundesstaat Alberta an die kanadische Pazifikküste transportiert.
Die neue Pipeline läuft entlang einer seit 1953 bestehenden Erdölleitung, die auf 1150 Kilometern zwischen Alberta und dem Pazifik-Bundesstaat Britisch-Kolumbien verläuft und 300.000 Barrel Öl pro Tag transportiert. Mit der Verdreifachung der Menge will Kanada vor allem seine Exporte nach Asien steigern. In Burnaby bei Vancouver wurde eigens ein neuer Hafen gebaut. Bisher lieferte Kanada, der weltweit viertgrößte Rohöl-Exporteur, den Rohstoff vor allem an den Nachbarn USA.
"Die Pipeline ist gut für die kanadische Wirtschaft und für die kanadischen Ölproduzenten", sagte die kanadische Finanzministerin Chrystia Freeland. Sie gehe davon aus, dass dieses "großartige nationale Projekt" das Bruttoinlandsprodukt des Landes im zweiten Quartal um 0,25 Prozent wachsen lasse. Vor allem Vertreter der Ölindustrie in Alberta hatten den Pipelineausbau seit Jahren gefordert.
Bei anderen ruft das Projekt weniger Euphorie hervor: Es koste mehr als es einbringe, war 2022 die Einschätzung des parlamentarischen Haushaltsbeauftragten - ein unabhängiger Parlamentsvertreter, der Abgeordnete bei Finanz- und Wirtschaftsthemen berät. Die Kosten für Trans Mountain haben sich seit Projektbeginn mehr als vervierfacht. 2017 waren 7,4 Milliarden Kanadische Dollar veranschlagt worden. Heute liegen die Schätzung bei 34 Milliarden Kanadischen Dollar, umgerechnet über 23 Milliarden Euro.
Die Regierung von Premierminister Justin Trudeau hatte das Projekt 2018 verstaatlicht und dem damaligen Projektträger Kinder Morgan 4,5 Milliarden Kanadische Dollar für die Übernahme gezahlt.
Die Pipeline war bereits damals wegen ihrer Auswirkungen auf Umwelt, Klima und die indigene Bevölkerung in Kanada umstritten. Seit der Verstaatlichung hat sich die Zahl der Proteste und Gerichtsverfahren noch einmal erhöht.
Trudeau trifft mit dem ersten großen Pipelinebau in Kanada seit Jahrzehnten nach Meinung von Experten auf gleich zwei große Probleme. Zum einen riskiere der Premier "einen großen Rückschlag" bei den Aussöhnungsbemühungen mit Indigenen, sagte Georges Hoberg, Professor für Umwelt- und Ressourcenpolitik an der Universität von Britisch-Kolumbien. Vertreter der in Kanada First Nations genannte Bevölkerungsgruppe hatten wiederholt erfolglos gegen den Bau der Ölleitung geklagt. Trudeau hatte die Aussöhnung stets als wichtiges Projekt seiner Amtszeit bezeichnet.
Zudem stehe die Pipeline "in kompletten Widerspruch" zur Zusage der Regierung, den CO2-Ausstoß des Landes bis 2030 um 40 bis 45 Prozent zu reduzieren, sagte Jean-Philippe Sapinski, Umweltprofessor an der Universität von Moncton.
Kanada ist einer der zehn größten Klimasünder weltweit. Gleichzeitig ist das Land besonders stark vom Klimawandel betroffen. Es heizt sich schneller als andere Weltregionen auf, in den vergangenen Jahren war es von mehreren Extremwetterereignissen betroffen. 2023 hat Kanada die schlimmste Waldbrandsaison seiner Geschichte erlebt.
Y.Sharma--DT