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Im Streit um ein europäisches Lieferkettengesetz wird die Zeit knapp, um die Vorschriften noch vor den Europawahlen Anfang Juni zu verabschieden. In einer Abstimmung unter den Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedstaaten gab es in Brüssel weiter keine Mehrheit für das Gesetz, wie die belgische Ratspräsidentschaft am Mittwoch mitteilte. Die Bundesregierung musste sich enthalten, weil die FDP die deutsche Zustimmung blockiert.
Die geplante Richtlinie soll Unternehmen für Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltverschmutzung in ihren Lieferketten in die Pflicht nehmen. Der Entwurf geht in einigen Punkten über ein Lieferkettengesetz hinaus, das in Deutschland bereits seit dem vergangenen Jahr gilt.
Die Bundesregierung hatte sich ursprünglich für eine europäische Regelung eingesetzt. Zuletzt befand Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) das Gesetz jedoch als in der bisherigen Form "unzumutbar für kleine und mittelständische Unternehmen". Deutschland musste sich deshalb in Brüssel enthalten, was wie eine Gegenstimme gewertet wird.
Die Initiative Lieferkettengesetz, die von Gewerkschaften, Menschenrechts- und Umweltorganisationen getragen wird, forderte ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Der Kanzler lasse sich "bei einem der wichtigsten Menschenrechts- und Umweltvorhaben der EU von der FDP regelrecht vorführen", erklärte die Sprecherin der Initiative, Johanna Kusch.
Deutsche Wirtschaftsverbände begrüßten hingegen das Abstimmungsergebnis. "Der deutsche Mittelstand ertrinkt auch ohne zusätzliche Belastungen aus Brüssel in Berichtspflichten und einer Flut von Fragebögen", betonte der Präsident des Bundesverbandes für Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura. Die Betriebe stünden derzeit zudem unter hohem wirtschaftlichem Druck.
Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) sprach dagegen von einem "Trauerspiel für die deutsche Nachhaltigkeitspolitik". Ohne eine europäische Regelung drohe den Unternehmen ein Wettbewerbsnachteil auf dem Markt, weil sie sich ohnehin an die Vorschriften des deutschen Lieferkettengesetz halten müssten.
Die Unterhändler von Europaparlament und EU-Ländern hatten sich im Dezember auf das Gesetz geeinigt. Die finale Zustimmung der Mitgliedstaaten galt ursprünglich als Formalie - nach Diplomatenangaben enthielten sich am Mittwoch jedoch auch Italien und neun kleinere EU-Länder. Die nötige Mehrheit kam damit nicht zustande.
Damit wird die Zeit knapp, um das Gesetz noch vor den Europawahlen Anfang Juni zu verabschieden. Die belgische Ratspräsidentschaft kündigte an, weiter nach Lösungen zu suchen, was bislang jedoch als wenig aussichtsreich gilt. Ob die Verhandlungen nach den Wahlen mit einem neuen Europaparlament fortgesetzt würden, ist unklar.
Die FDP tritt dafür ein, den bisherigen Entwurf zu beerdigen. Nach den Wahlen solle die neue EU-Kommission einen frischen Vorschlag machen.
G.Koya--DT